Das Datum seines Vortrags vor gut 60 Interessierten bei der Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober, betont Wolfgang Meyer, sei purer Zufall gewesen. Denn praktisch auf den Tag genau 76 Jahre zuvor war sein Patenonkel Willy Meyer Mitglied der Besatzung von U-47, als dieses im Zweiten Weltkrieg in den britischen Marinehafen Scapa Flow eindrang. Das Unterseeboot unter dem Kommando von Kapitänleutnant Günther Prien versenkte schließlich das Schlachtschiff HMS Royal Oak. Ein Ereignis, das die damalige NS-Propaganda öffentlichkeitswirksam auszuschlachten wusste. Es ist aber auch ein zentrales Kapitel in Wolfgang Meyers zweitem Buch, einer weiteren Dokumentation über den älteren Bruder seines Vaters. Der Titel: „Der Stier von Scapa Flow – Feindfahrten auf U-47“.
Nachdem er sich am Messestand seines Verlags Tredition präsentieren durfte, waren sämtliche gebundene Ausgaben dieses Bandes vergriffen, kann der 69-Jährige vermelden. Vom danach angesiedelten, aber bereits im Frühsommer erschienenen „U-Seewolf – 280 Seetage auf U-509“ (wir berichteten) seien seither etwa 500 Stück verkauft worden, so sein aktueller Stand.
Der Mittelteil dürfte sogar noch ein größeres allgemeines Interesse wecken – allein schon wegen der Figur Priens. Der nicht zuletzt durch Scapa Flow legendär gewordene U-Boot-Kommandant erwähnt Bootsmaat Meyer sogar in seinen Memoiren, lobt diesen darin überschwänglich. So ist über Wolfgang Meyers Onkel zu lesen, dass er sich als Richtkanonier auf U-47 verdient machte. „Meyer übertrifft sich selbst“, wird Günther Prien darin zitiert – eine Passage, die der Kirchweyher als eine seiner vielen Quellen herangezogen hat.
Wer ist wer? Wolfgang Meyer kennt nur seinen Onkel Willy (Mitte) mit Mutter Käthe links von ihm im Arm, seinen Vater Karl-Heinz (links) und unten links Heinz-Hermann Dörgeloh von der gleichnamigen Gaststätte, bei der dieses Bild 1941 aufgenommen wurde.
Aber der weiß noch weit mehr zu erzählen. Denn nach Scapa Flow sei Willy Meyer als Kriegsheld gefeiert, mit höchsten Orden bedacht und mit der gesamten Besatzung von Adolf Hitler empfangen worden. „Sein Gesicht zierte sogar eine Postkarte“, so Wolfgang Meyer. Vor allem in der Heimat sei die Verehrung groß gewesen: „Er wurde eingeladen, in der Grundschule Kirchweyhe einen Vortrag zu halten.“
Willy Meyer stirbt schließlich beim Untergang von U-509 im Sommer 1943 – zwei Jahre also, nach dem U-47 mit Prien versenkt wurde. Meyer hätte da eigentlich noch mit an Bord sein sollen, aber er befand sich gerade auf Lehrgang an der Steuermannschule, wie sein Neffe weiß. Er ergänzt: „Als er hörte, dass Prien verschwunden war, wie es ja zunächst offiziell hieß, soll er bitterlich geweint haben.“
Verfilmung des Stoffes denkbar
356 Seiten umfasst allein „Der Stier von Scapa Flow“, 768 hat Wolfgang Meyer in seinen drei Büchern insgesamt über dieses Stück Zeitgeschichte am Beispiel des Onkels, den er nie kennenlernte, geschrieben. Das von ihm zusammengetragene Material könnte bald sogar als Filmvorlage dienen: Sein ehemaliger Chef aus der Verlagsbranche habe jedenfalls das ZDF darauf aufmerksam gemacht, verrät Meyer.
622 historische Aufnahmen hat er veröffentlicht, viele weitere hätte er in seinem privaten, ihm größtenteils vom Patenonkel überlassenen Fundus gehabt. „Ich will auch noch einen Bildband herausbringen“, kündigt der 69-Jährige an. Der werde aber im Wesentlichen Fotos aus den jungen Jahren von Willy Meyer beinhalten.
Die werden eher lokal von Bedeutung sein. Aber auch heimatgeschichtlich haben Meyers jahrelange Recherchen allerhand Wissenswertes zutage gebracht. Davon handelt der finale Teil seiner Willy-Meyer-Trilogie, der Anfang Dezember herauskommen soll. In „Der Weg zu den grauen Wölfen“ erzählt der Neffe in erster Linie von der Jugendzeit seines Protagonisten, bevor der 1934 zur Marine ging und auf der alten Gorch Fock, später ein russisches Schulschiff, ausgebildet wurde.
Eigentlich, so erzählt er, habe Meyer Koch lernen wollen in Hillmanns Hotel in Bremen. Letztlich ging er aber bei Friseur Franz-Louis Borchers in Syke in die Lehre. Sogar seine damalige Schere ist im Buch abgebildet. Der chronologisch gesehen erste Band beleuchtet zudem – natürlich auch illustriert – Willy Meyers Kindheit in einem Eisenbahnerhaus am Moordamm. Da habe er eng mit Weyhes Gemeindearchivaren Wilfried Meyer und Hermann Greve zusammengearbeitet. Letzterer habe sich besonders für diese Aspekte interessiert. „Er sagte mir, dass ihm genau solche Milieugeschichten aus der Zeit fehlen“, so Wolfgang Meyer.
Erkenntnis zum Weyher Wappen
Geradezu überrascht habe er Hermann Greve mit einem Foto, das aus dem Jahr 1935 stammen soll. Darauf zu sehen: das Weyhe-Wappen mit dem Löwen und den drei roten Streifen bei einer Ausstellung. Das habe Greve verwundert. Denn das Wappen wurde eigentlich erst 1937 eingeführt – und da zunächst mit zwei Streifen.
Aufgedeckt und niedergeschrieben hat Meyer übrigens auch pikante Details über seinen Onkel. So habe er sich wenn er auf Urlaub nach Kirchweyhe kam des Öfteren im Hotel Koch, heute das Asia New World, „volllaufen lassen“. Meyer über Meyer: „Einmal musste mein Opa ihn mit dem Handwagen abholen, weil er nicht mehr laufen konnte.“ Aber das kann man nachvollziehen, wenn man weiß, dass an Bord Alkohol strikt verboten war.
Text: Sebastian Kelm, Weserkurier vom 21.11.2015